WIEDERSEHEN MIT BORNEO

Im Jahr 1991 habe ich die Insel Borneo in 50 Tage auf zwei verschiedenen Routen zu Fuß und per Kanu durchquert. Sieben Wochen lang habe ich mich, nur von einheimischen Dayaks, ehemaligen Kopfjägern, begleitet, durch den dichtesten Dschungel gekämpft, der als Paradebeispiel unberührten Bergregenwalds galt. Hier herrschte zudem eine Artenvielfalt, wie es sie sonst selten auf der Welt gibt.

25 Jahre später kam ich voller Neugier zurück zur drittgrößten Insel der Welt, wo ich absolut unvergessliche Zeiten verbringen durfte. Die erneute Begegnung war überaus ernüchternd. Ein großer Teil der am Äquator wachsenden, letzten großen Regenwälder Südostasiens war verschwunden, zerstört durch die Profitgier des Menschen. Was genau ist passiert mit diesem großartigen Naturraum?

Mit Erschrecken lesen wir in den Medien, dass nicht nur am Amazonas, sondern weltweit die Regenwälder brennen. Allein im Jahr 2015 wurden in Indonesien 120.000 Brände registriert. Das bedeutete eine freigesetzte Menge von zwei Milliarden Tonnen Treibhausgasen. Zum Vergleich soll das Industrieland Deutschland dienen, wo pro Jahr insgesamt „nur“ eine Milliarde Tonnen CO2 produziert werden.

Zwischen 1990 und 2015 sind weltweit 130 Millionen Hektar Wald verschwunden. Von diesem Schicksal ist auch Indonesien betroffen, denn von der Gesamtmenge der verlorenen Waldfläche entfallen allein auf Borneo 27 Millionen Hektar, was etwa 75% der Fläche Deutschlands entspricht. Heute ist Borneo nur noch zur Hälfte bewaldet. Von 1985 bis 2007 hat die Insel für den schnellen Profit der Holz- und Palmölindustrie jedes Jahr etwa 8600 Quadratkilometer seines wertvollen Regenwaldes verloren. Die erste Stufe bildeten großflächige Abholzungen, um wertvolles Material für unsere Gartenmöbel, Fensterrahmen und Terrassendielen zu beschaffen.

Anschließend folgen teilweise bewusst gelegte Waldbrände, für das Anlegen endloser Palmöl-Plantagen. Ölpalmen lieben die Wärme und gedeihen am besten bei Temperaturen zwischen 24 und 28 Grad Celsius. Sie benötigen einen monatlichen Niederschlag von mindestens 100 mm/ m² und eine Luftfeuchtigkeit um die 60 %. Aus diesem Grund fühlen sich Ölpalmen in Borneo richtig wohl.

Doch warum gerade Palmöl? Der Ertrag der Ölpalme ist zehn Mal höher als bei Sonnenblumen und sieben Mal höher als bei Raps. Palmöl wird durch seinen hohen Gehalt an freien Fettsäuren verwendet in Futtermitteln, Kosmetika und Waschmitteln, ist aber auch essentieller Teil von Pizza, Brot, Margarine, Eis und Nutella. Allein zwischen Oktober 2011 und September 2012 wurden weltweit 50,8 Millionen Tonnen Palmöl produziert, davon 25 Millionen Tollen allein aus Indonesien kommend.

Ein weiteres Einsatzgebiet von Palmöl ist die Herstellung von Kraftstoffen. Eigentlich war die Idee, Biodiesel herzustellen, eine gute Alternative zur Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl, die unser Klima belastet. Zudem sind Biokraftstoffe anders als die endliche Kohle nachwachsende Rohstoffe. Doch bei der Nachhaltigkeit geht die Rechnung bei Palmöl nicht auf – im Gegenteil.

Hier ein paar Fakten: Biodiesel hat im Vergleich zum erdölbasierten Diesel hat eine CO2-Einsparung von etwa 2,3 Tonnen CO2 pro Tonne Diesel. Leider wird bei dieser Rechnung der CO2-Ausstoß aufgrund der Flächenumwandlung für die Palmöl-Plantage nicht berücksichtigt. Das Ergebnis einer umfassenderen Öko- oder Klimabilanz von Biodiesel aus Palmöl wäre dann stark negativ. Da aktuell etwa ein Viertel des sogenannten Bio-Treibstoffs in Deutschland aus Palmöl besteht, der in den westlichen Industrieländern für ein reines Gewissen sorgen soll, weil dadurch die CO2-Schadstoffe reduziert würden, wird der Irrsinn deutlich.

Heute findet man in großen Gebieten Borneos nur noch endlose Palmöl-Plantagen. Studien zeigen, dass die Palmölproduktion einer der Haupttreiber für die Zerstörung der tropischen Regenwälder ist. Die Entwässerung des Untergrundes in Folge der Palmöl-Plantagen resultiert in auch einer negativen Veränderung der globalen Kohlenstoffkreisläufe. In anderen Worten, es entweichen erhebliche Mengen von im Boden gespeicherten CO2 in die Atmosphäre, was zu dem fatalen Klimawandel beiträgt. Durch die Monokultur geht leider auch die Biodiversität verloren. Konkret bedeutet das, die Umwandlung des Regenwaldes in agrarisch nutzbare Wirtschaftsfläche geht auf Kosten der lokalen Flora und Fauna mit weitreichenden Folgen auch auf das Mikroklima. Auf Borneo ist die ursprüngliche Artenvielfalt so groß wie nirgends sonst auf der Welt. Hier leben 222 Säugetier-, 622 Vogel-, 400 Amphibien- und 394 Fischarten.


Waldbrände und illegale Rodung zerstören unwiederbringlich das natürliche Habitat unzähliger Tiere. Lücken und Schneisen haben den tropischen Wald zerfurcht. Orang-Utans aber brauchen Korridore, damit sich die getrennt lebenden Populationen mischen können. Aber nicht nur Tiere sind bedroht: Die indigenen Völker werden durch Verlust von fruchtbaren Böden und gesundem Trinkwasser ebenfalls stark gefährdet.

Der Inselkern Borneos ist deshalb für den WWF eines der priorisierten Gebiete, wo Themen wie Arten- und Klimaschutz sowie Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der indigenen Völker hohe Priorität genießen. Besonders gut gefällt mir die „Herz von Borneo“-Initiative, die die Forstminister der drei Borneo-Staaten Indonesien, Malaysia und Brunei Darussalams im Februar 2007 unterzeichneten: ein grenzübergreifendes Netzwerk aus Schutzzonen und nachhaltig genutzten Wäldern zur Bewahrung des ökologisch intakten Inneren der Insel. Zusätzlich hat die Dreiländer-Vereinbarung bewirkt, riesige Palmöl-Plantagen sowie ein Straßennetz durch unberührten Regenwald zu verhindern. Außerdem werden mittlerweile fast zehn Prozent der forstlich genutzten Wälder im Herz-von-Borneo-Gebiet nach den unabhängigen Nachhaltigkeitskriterien des FSC-Labels für Holz- und Waldprodukte bewirtschaftet.

Das „Herz von Borneo“-Projekt ist ein wirklich guter Anfang! Trotzdem tut es mir unendlich weh, die dramatischen Folgen menschlicher Eingriffe in die ehemals fantastische Natur Indonesiens zu sehen. Heute kann man einen Großteil Borneos problemlos mit dem Auto durchqueren, immer entlang der monotonen Palmöl-Plantagen, denn viele der endlosen Regenwälder, die ich selbst noch hautnah in ihrer überwältigenden Ursprünglichkeit erleben durfte, sind auf immer verloren.