MOLA-ART AUS PANAMA TEXTILKUNST DER KUNA

Nicht nur auf den Straßen von Paris, New York und Tokyo hat ein neues Mode-Accessoire Einzug gehalten. Selbst in einem kleinen Ort wie Emsdetten dominieren selbstgenähte Gesichtsmasken gegenüber den hellblauen Schutzmasken aus dem reinen Hygiene- und Gesundheitsbereich. us dem ungeliebten, hässlichen Mundschutz wurde quasi über Nacht ein ungewöhnliches Fashion-Item.

Kürzlich stolperte ich über eine auffällige Maske mit kräftigen Farben und einem Ethno-Muster. Überrascht identifizierte ich den Stoff sofort als Mola-Art – ein aus Panama stammendes Erzeugnis der Kuna-Indianer von den San Blas Inseln im Golf von Darien. Das sind etwa 360 Koralleninseln voll pittoresker Kokosnuss-Palmen, wobei die etwa 25.000 Kuna nur 57 Inseln bewohnen. Die schwer zugänglichen Eilande sind vor allem bei Weltumseglern aufgrund ihrer schönen Natur und der ausgesprochenen Freundlichkeit ihrer Bewohner beliebt. Nur zu gerne erinnere ich mich an meine robinsonartigen Besuche in dieser paradiesischen Umgebung. Auf einem winzigen, unbewohnten Eiland mit gerade mal zwei Palmen liege ich in einer bequemen Hängematte zwischen den Stämmen und schaukele im Rhythmus des Windes sanft in einen Tagtraum. Mehr Bilderbuch-Idylle geht kaum.

Die ursprüngliche Heimat der Kuna ist der Urwald Kolumbiens – für einen Dschungel-Liebhaber wie mich eine einmalige Gegend zum gleichzeitigen Kultur-Erleben und Natur-Erkunden. Unsere indianischen Begleiter, sie gehören mit einer Größe zwischen 1,40 und 1,50 Metern zu den kleinsten Menschen der Erde, sind perfekt an das Leben im Urwald angepasst. Sie leben im Einklang mit der Natur und schmücken ihre unbekleideten Körper mit Pflanzensäften. Der Großteil des indigenen Volkes musste jedoch wegen eingeschleppter Infektionskrankheiten und Mangelernährung vor etwa 150 Jahren das Festland Südamerikas verlassen und ist auf die tropischen San Blas-Inseln umgesiedelt, die heute Autonomie-Status genießen. Die alte Kultur der künstlerischen Körperverzierungen, jedesmal ein überaus faszinierender Anblick, haben die Indianer aus dem Wald  mit in die Karibik genommen.


Im Gegensatz zum dichten, schützenden Urwald besteht auf dem windigen Insel-Archipel die Notwendigkeit, sich zu kleiden. Da Missionare angeblich die Körperbemalung als heidnisch verboten, wussten sich die Kuna zu helfen und entwickelten die spezielle Kunst der Mola. Der Begriff bedeutet eigentlich „Bluse“, steht jedoch auch für die beiden rechteckigen Bluseneinsätze auf den Vorder- und Rückseiten – sogenannte ‚Panels‘ – und die spezielle Nähtechnik. Die Mola-Motive wurden unmittelbare der ursprünglichen Körperbemalung entlehnt. Sie entstammen ihrer alten Waldheimat und mythologisch-religiösen Themen. Molas kombinieren abstrakte geometrische Muster mit konkreten Tierdarstellungen und dokumentieren Begebenheiten des Alltags. Man findet auf den Textilien jedes Mal neue Details und kann versuchen, die Inspirationen der Näherinnen zu ergründen.

Direkt vor Ort konnte ich den aufwändigen Prozess der Mola-Herstellung in allen Stufen verfolgen. Für die Panels wird ein heller Basisstoff mit vielen weiteren Stoffstücken patchworkartig vernäht. Jede neue Stofflage mit dunkleren Farben wird manuell appliziert und das Panel wird dadurch immer dicker. Bis zu sieben Lagen werden miteinander vernäht und ergeben durch Heraustrennen und Umnähen von einzelnen Flächen das fertige Motiv. Die oberste Stoffschicht wird zusätzlich bestickt. Die Qualität einer Mola basiert auf der Anzahl von verwendeten Stofflagen, der Feinheit der Nähstiche und der Gleichmäßigkeit und Größe der ausgeschnittenen Bildteile. Ein ebenso authentisches wie aufwändig gemachtes Souvenir, das jedoch einen sehr hohen Preis haben kann.

Die Herstellung der Mola in Heimarbeit wird von Generation zu Generation weitergeben. Wie mir gesagt wurde, beginnen die Mädchen bereits im Alter von vier Jahren das Nähen einer Mola zu erlernen. Die Rolle der Kuna-Frauen in der traditionell matriarchalischen Gesellschaft gewinnt somit enorm an Bedeutung: je geschickter und ideenreicher eine Frau arbeitet, desto höher ist ihr Ansehen. Es dauert mehrere Monate, bis sie ein Teil fertig gestellt haben, dass im Falle eines Verkaufs zusätzlich zum Fischfang das Familieneinkommen sichert.

Jede Frau näht zunächst ausschließlich für ihren eigenen Bedarf. Je nach Können besitzt sie acht bis zwölf Blusen. Sobald sie jedoch eine neue hergestellt hat, trennt sie sich von einem zuvor genähten Exemplar, um es an Sammler und Touristen zu verkaufen. Weit über die Grenzen Panamas hinweg berühmt, werden die schönsten Erzeugnisse dieses einzigartigen Kunsthandwerks in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt. Erst in jüngerer Zeit entstehen Dinge des alltäglichen Bedarfs wie Etuis, Taschen oder Kissenbezüge. Letztere Entwicklungen gefallen mir nicht so gut, weil sie sich zu sehr an kommerziellen Gegebenheiten orientieren.

Mola bilden bis heute die zentralen Elemente der Alltagskleidung jeder Kuna-Frau, die aus einer dunklen Bluse, einem meist blaugründigen Wickelrock und einem rot-gelben Kopftuch besteht. Goldene Nasenringe, bunte Halsketten, feine Perlenbänder und Muschelschnüre um Unterschenkel und Handgelenke komplettieren den Ethno-Schmuck. Der Stolz, mit denen die Kuna-Frauen ihre traditionelle Tracht tragen, ist ihnen in jeder Situation anzusehen.

Die Kuna konnten entgegen aller Widerstände und äußerer Einflüsse – vor allem durch den Unabhängigkeitsstatus – wie kaum eine andere Ethnie Südamerikas ihre Kultur, ihren Lebensstil und ihre Identität bewahren. Die zeitaufwändige Arbeit zur Herstellung einer traditionellen Mola bildet ein wichtiges Kennzeichen ihrer Ethnizität. Dieses weltweit einzigartige textile Kunsthandwerk als symbolträchtige Volkskunst zu bewahren, hat für das indigene Volk oberste Priorität.