Es ist gar nicht so einfach, in diesen Zeiten über das Reisen zu schreiben oder gar zu philosophieren. Flughäfen schließen, Häfen schließen, ja ganze Länder schließen. Wenn einer hustet, was bedeutet das? Wo findet das gesellschaftliches Leben noch statt? Wo fühle ich mich sicher? Was bedeutet überhaupt Sicherheit in diesen Tagen, in denen sich die Coronavirus Nachrichten beinahe von Stunde zu Stunde überschlagen? Besonders die Kreuzfahrt-Branche liegt danieder, egal wie exklusiv die Reise ausgerichtet ist.
Als man in früheren Jahrhunderten an Bord eines Schiffes ging, muss es sich wie ein „one way ticket“ angefühlt haben, eine höchst riskante Unternehmung mit unsicherem Ausgang. Wer wusste schon, ob das Schiff nicht in einen Sturm geriet und sank, ob Piraten ihm auflauerten und allen Mitreisenden ein schnelles Ende bereiteten. Einmal glücklich angelangt, was viele Wochen und gar Monate dauern konnte, mit welchen Gefahren musste man dort rechnen? Gab es gar feindselige Einwohner? Wie kam man mit dem extremen Klima zurecht, mit der unwegsamen Natur und all den damals noch unbekannten Infektionskrankheiten? Wieviel Mut galt es aufzubringen für die entbehrungsreiche Reise in die Ferne? Die Neugierde überwog mit dem Beginn von Aufklärung, und Humanismus, und die Holländer waren dabei ganz vorne an.
Für diesen Beitrag versetze ich mich konkret in das Ende des 17. Jahrhunderts, als die Künstlerin und Naturwissenschaftlerin Maria Sibylla Merian (1647 – 1717) ihre zweijährige Expedition nach Suriname unternahm, damals niederländische Kolonie. Zuvor hatte sie sich sorgfältig über 15 Jahre lang auf dieses Abenteuer vorbereitet bis sie im Frühjahr 1699 nicht nur vorsorglich ihr Testament machte, sondern auch alle ihre Bilder und Sammlungen verkaufte, um das teure Vorhaben zu finanzieren. Eine Frau, alleinstehend, alleinerziehend und mit 52 Jahren für damalige Verhältnisse im fortgeschrittenen Lebensalter.
Suriname, wo liegt das überhaupt? Christian hat kürzlich im Blog über Französisch-Guayana berichtet, Surinam grenzt daran, ebenso wie Brasilien und im Norden der Atlantische Ozean. Weit hört es sich an und verwunschen.
Als ich vor Jahren eine Mädchen-Kollektion dieser außergewöhnlichen Frau widmete, hatte ich nicht mal eine Ahnung, wo dieses Land liegen könnte. Es ging mir um das Reisen, um die Ferne, das Abenteurer, und natürlich um das faszinierende Werk der Künstlerin, das ich in Stoffe und Applikationen umsetzte.
Aber zurück zu Maria Sybilla Merian, die mit ihrer jüngsten Tochter Dorothea Maria in Amsterdam ein Kaufmannsschiff bestieg. Die Reise verlief problemlos, soweit die Chroniken. Gemeinsam sortierten sie am neuen Ort die Pflanzen und Insekten, und Merian begann an ihrem wichtigsten Werk, der „Metamorphosis insectorum Surinamensium“, zu arbeiten, das sie später weltberühmt machen sollte.
Nach zwei Jahren war die mittlerweile 54-Jährige den Anstrengungen des extrem feuchtwarmen Klimas nicht mehr gewachsenen. Sie erkrankte schwer an Malaria und musste mit ihrer Tochter nach Holland zurückkehren. Die rastlose tiefgläubige Frau erholte sich bald drauf und widmete sich fortan ihren Buchpublikationen. Es gelang ihr, die Kunst und die Naturbeobachtung zu einer Einheit zu führen. Ihre Metamorphosen der Schmetterlinge bereiteten den Weg zu einer modernen Insektenkunde, ihre Werke sind in den großen Museen der Welt zu finden, insbesondere in Amsterdam, im Frankfurter Städel und in St. Petersburg. Die Reise dorthin ist auch schon eine Reise.