Ein Freund von Christian schrieb vor wenigen Tagen auf den Artikel über „Süd-Georgien“, dass er auch so gerne dorthin reisen würde und dass er „Travel-Home-Sick“ wäre. Dieser Begriff hängt mir seitdem nach. Ist das nun ein Widerspruch in sich oder ist er es nicht? So leicht ist das nicht zu entscheiden für jemanden wie mich, die ich doch eher zu der weiblichen Kategorie von Karl May gehöre, die am Schreibtisch sitzt, um sich mit Hilfe der Phantasie in die Ferne zu denken.
Zwar folge ich strickt der Maxime von Jack London mindestens 1.000 Wörter am Tag zu schreiben, aber keineswegs bestieg ich jemals ein Schiff wie die Snark, um damit von San Francisco in die Südsee zu fahren. Ich war auch noch nie in einem Dschungel, in der weiten Steppe oder auf einem einsamen Fluss. Ich halte mich eher an Daniel Defoe und lasse mir die Geschichten erzählen, um sie zu den meinen zu machen. (So entstand vor dreihundert Jahren Robinson Crusoe, der Autor selbst hatte nie Europa verlassen.)
Aber zurück zu „Travel-Home-Sick“, das klassische Gefühl des Reisenden zwischen den Welten, um mich damit nicht ganz auszuschließen. Bin ich dort, vermisse ich das Hier, und bin ich hier, sehne ich mich nach dem Dort. Krank macht es mich in jedem Fall, denn wo ich bin, fehlt mir das andere.
Und jetzt, wo wir nur noch hier sind, eben „Home“ und das „Travel“ nicht geht? Tja, dann passiert genau das, wovor wir uns alle fürchten: Wir müssen das Hier aus dem Hier heraus genießen lernen. Das ist so ziemlich das Schwierigste, was es gibt, denn bislang haben wir es ja nur aus der Distanz heraus schätzen gelernt, es vermisst, wenn es nicht da war.
Bloß nicht „sick“ werden. Es muss für dieses Dilemma Lösungen geben. Meine ist einfach: ich träume. Und die anderen? Unwillkürlich denke ich an keinen geringeren als Alexander von Humboldt. Er wollte so gern in seinem Leben nach Indien, aber die britische Ost-India-Company gab ihm nicht die Einwilligung. Er steckte fest in der Enge des verhassten Preußens, das mit Frankreich im Krieg war, damit konnte er auch nicht nach Paris entfliehen. Es dauerte Jahre bis endlich Zar Nikolaus I. die Einwilligung gab, dass er durch das weite Russland reisen durfte. Ein neues Abenteuer.
Irgendetwas wird gehen. Wer das Zuhause durch die Ferne definiert, der kommt schon los, und dann versteht man das „Travel-Home-Sick“ wieder so, wie es gemeint ist: Endlich wieder Reisen und genüsslich das Heim vermissen.